Das Ende einer Ära
17.12.2020 06:00
Am 31. Dezember 2020 schliesst die Tourist Information in Rorschach definitiv ihre Türen. Es ist das Ende einer über 90-jährigen Geschichte in der Hafenstadt. Da die wichtige Einnahmequelle der SBB-Ticketverkäufe ab 2021 wegbricht und keine Alternative zur Kostendeckung gefunden wurde, ist die Finanzierung des Büros in Zukunft nicht mehr möglich. Ein Entscheid, der von vielen bedauert wird.
Rorschach Fabia Martinetti, Leiterin der Tourist Information Rorschach, und ihr Team, beraten in diesen Tagen die letzten Gäste am Schalter. Es sind verständlicherweise nicht mehr viele auswärtige BesucherInnen, die zu dieser Jahreszeit und inmitten der Corona-Pandemie, Rorschach besuchen. «Es kommen viele Einheimische, um sich zu verabschieden, ihr Bedauern auszudrücken, oder um noch einmal SBB-Tickets bei uns zu kaufen», erzählt die Büroleiterin. Im Hintergrund werden Schachteln gepackt mit noch aktuellem Prospekt- oder brauchbarem Büromaterial und die Regale leeren sich. Es herrscht eine traurige Stimmung. Alle drei Damen, die über viele Jahre lang mit viel Engagement TouristInnen wie Einheimische beraten haben, bedauern den Entscheid von St.Gallen-Bodensee Tourismus, die Auskunftsstelle am See zu schliessen.
«Entscheid ist eine Katastrophe»
Auch Susanne Tobler, Direktorin des Hotel Mozart, ist alles andere als begeistert: «Dieser Entscheid ist eine Katastrophe. Aus meiner Sicht ist in den Monaten Mai bis Oktober ein personell besetztes Tourismusbüro vor Ort zwingend notwendig. Nach Rorschach kommen viele ältere Gäste oder Familien und gerade sie wollen nicht nur digitale Auskunftssäulen, sondern die persönliche Beratung vor Ort. Es kann nicht sein, dass alles Geld für die Tourismusförderung jetzt nur noch nach St.Gallen geht», meint die Hotelière.
Verkehrsbüro bereits seit 1929
Die Geschichte der Tourist Information in Rorschach reicht über 90 Jahre zurück. Wie alten Urkunden zu entnehmen ist, wurde bereits 1914 der Verkehrsverein Rorschach gegründet, der vormals «Kurverein» hiess. Denn dazumal noch war Rorschach als Seebad, Molken- und Luftkurort mit nicht unerheblicher touristischer Bedeutung unterwegs und «die Gäste strömten zu Tausenden in die Hafenstadt», wie in alten Rorschacher Neujahrsblättern zu lesen ist. Viele BesucherInnen unternahmen von hier aus Ausflüge ins nahe Appenzellerland. So wurde dann auch 1929, gleichzeitig mit der Eröffnung des Museums im Kornhaus ein «Verkehrsbüro für Touristen und Passanten» gegründet. Während der Kriegs- und Nachkriegsjahre gab es für dieses dann allerdings kaum noch Arbeit ? vermutlich wurde es während dieser Zeit in den damaligen Güterschuppen beim Hafen disloziert. Verschiedenen mündlichen Quellen zufolge befand sich später, in den 60er Jahren, eine kleine touristische Auskunftsstelle an der Kirchstrasse im Gebäude der früheren Publicitas, bis es um 1975 an die Hauptstrasse 63 (am heutigen Standort von «Bischi Bike») umzog.
1999 erfolgte dann die Destinationsbildung und Gründung der DMO ? Destination Management Organisation ? St.Gallen-Bodensee Tourismus. Diese strukturelle Veränderung hatte der damalige Stadtpräsident Marcel Fischer begleitet. Er erinnert sich: «Rorschach wollte damals ein Gegengewicht gegen das touristisch übermächtige Deutsche Bodenseeufer schaffen. Man hatte versucht, sich mit dem Thurgau und Schaffhausen zusammenzuschliessen, was damals aber an den unterschiedlichen Tourismusgesetzen in den Kantonen gescheitert ist. Also war es naheliegend, eine Kooperation mit St.Gallen einzugehen. Dies unter der Prämisse, dass die Tourist Information in Rorschach aufgewertet wird». Per 1. Januar 2009 wurde auf Wunsch des Verkehrsvereins Rorschach auch die Tourist Information in die Destinationsorganisation St.Gallen-Bodensee eingegliedert und der Verkehrsverein aufgelöst. Knapp zwei Jahre später bezog die TI neue, moderne Räumlichkeiten am Hafenbahnhof.
Finanzierung nicht mehr möglich
Bereits seit 2017 ist bekannt, dass die SBB plant, sämtliche Drittverkaufsstellen zu schliessen. Dieser Entscheid konnte für Rorschach dann nochmals um drei Jahrehinausgezögert werden. Aber nun ist per Ende 2020 mit dem SBBTicket-Verkauf bei der TI definitiv Schluss und damit fehlen rund 100 000 Franken in der Kasse, um den Betrieb weiterhin aufrechterhalten zu können. Auch die Stadt Rorschach wird in Zukunft nur noch 30 000 Franken anstatt der bisherigen 60 000 Franken für die Tourismusförderung bezahlen. Stadtpräsident Robert Raths begründet dies: «Es geht nicht an, dass Rorschach im Vergleich mit den umliegenden Gemeinden mit Abstand am meisten bezahlt. Allein im vergangenen Jahr haben wir zusammen mit dem Nachtragskredit von 30 000 Franken insgesamt 90 000 Franken für die Tourismusförderung bezahlt». Auch er bedauert die Schliessung des Auskunftsbüros am Hafenbahnhof. Für ihn ist jedoch ein touristischer Auftritt als Region sehr wichtig. Wie dieser dann in der Umsetzung in der Zukunft genau aussehen soll, weiss Raths nicht, vertraut dabei aber auf die Tourismusprofis in St.Gallen. Einen konkreten Leistungsauftrag dazu gibt es nicht. Auch die umliegenden Gemeinden wie Tübach, Goldach, Thal, Rorschacherberg und weitere, sind bereit, für die Tourismusförderung mehr zu bezahlen als bisher und Rorschach zu entlasten. Sie haben ihre bisherigen Beiträge an die Tourismusorganisation aufgestockt und auch sie begrüssen einen koordinierten gemeinsamen Auftritt.
Schluss nach über 90 Jahren
Eine personell besetzte Auskunftsstelle werden die angeworbenen Gäste aber in Zukunft am st.gallischen Seeufer höchstwahrscheinlich nicht mehr antreffen. Damit endet am 31. Dezember dieses Jahres, gut elf Jahre nach der Übernahme durch St.Gallen-Bodensee Tourismus, die über 90-jährige Geschichte eines «Verkehrsbüros» beziehungsweise einer «Tourist Information» in Rorschach.
Von Astrid Nakhostin