Doppelspur durch Rorschach - Müller will in die Opposition
14.03.2019 00:00
Am vergangenen Donnerstag stimmte der Ständerat dem Doppelspurausbau in Rorschach deutlich zu. Damit soll für die Strecke zwischen Rorschach Stadt und Rorschach Hauptbahnhof die Fahrplanstabilität verbessert werden. Stadtpräsident Thomas Müller ist klar gegen den Ausbau der
Doppelspur und wird dies verhindern wollen.
Rorschach/Bern Der St.Galler SP-Ständerat Paul Rechsteiner kam mit dem Vorschlag, den Doppelspurausbau zwischen Rorschach Stadt und Rorschach Hauptbahnhof ins Paket des Ausbauschritts 2035 der Bahninfrastruktur aufzunehmen. Sein Antrag bei der Verkehrskommission kam vorab mit acht zu vier Stimmen durch notabene gegen den Willen des Bundesrates. Nach vielen Diskussionen nun das Resultat: Mit 31 zu 12 Stimmen sagt der Ständerat Ja zum Doppelspurausbau.
Einzige Doppelspurlücke auf der West-Ost-Transversale
Zum jetzigen Zeitpunkt hat auf der Strecke zwischen Goldach und Rorschach Stadt die Doppelspur-Umbauphase bei der Eisenbahnstrasse begonnen. Dies, nachdem das Bundesgericht im September eine lokale Einsprache ablehnte. In einer ersten Etappe wird voraussichtlich bis Ende Mai der westliche Strassenabschnitt umgebaut. Nach und nach werden bis Mitte 2020 Übergänge in der Stadt Rorschach gesperrt. Ist der zweite Schienenstrang zwischen Goldach und Rorschach Stadt gebaut, soll die bestehende Schiene erneuert werden. Voraussichtliches Ende dieses Vorhabens: Sommer 2021. Die Strecke Rorschach Stadt bis Rorschach Hauptbahnhof ist nach dieser Umbauphase aber nach wie vor Einspurig. Es wäre die einzige Doppelspurlücke in der West-Ost-Transversale. Dies wollte Rechsteiner mit seinem Vorschlag ändern. Für den Rorschacher Stadtpräsident Thomas Müller ist der Entscheid des Ständerats unverständlich. Der Stadtpräsident sagt: «Wir haben damals dem Kanton mit dem Doppelspurausbau zwischen Goldach und Rorschach Stadt die Hand geboten. Jetzt ist Schluss. Die kurze Strecke zwischen Stadt und Hauptbahnhof Rorschach tut bei der Fahrplanstabilität nichts zur Sache!»
Rechsteiner und Damann widersprechen Müller
Der St.Galler SP-Ständerat Paul Rechsteiner, erkämpfte sich damals mit Karin Keller-Sutter die Verbesserung auf der Rheintallinie. Jetzt verkehrt der Interregio zwischen Chur-St.Gallen-Zürich im Halbstundentakt. «Dieser Kampf trug für die heutige Bedeutung der Strecke und für die Bedeutung, welche sie noch haben wird, bei», so Rechsteiner und fügt hinzu: «Es gibt eine grosse Entwicklung Richtung Osten. Ende 2020 soll die Strecke Zürich-München eine Stunde weniger dauern. Der Weg führt durch St.Gallen und Rorschach. Die Einspurinsel zwischen Goldach und Rorschach ist schon jetzt ein Nadelöhr», sagt Rechsteiner weiter. Und auch Regierungsrat Bruno Damann, der laut Rechsteiner massgeblich am Vorstoss beteiligt war, spricht von einer Fahrplanstabilität durch den
Ausbau: «Wenn der Fahrplanausbau bis 2035 so realisiert wird, wie er geplant ist, dann ist Rorschach so wie es jetzt erscheint, ziemlich sicher ein Problem. Kleinste Verspätungen haben Auswirkungen bis nach Genf», erklärt der Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartementes des
Kantons St.Gallen. Bereits 2020 werden die internationalen Züge sechsmal, anstatt dreimal pro Tag, verkehren. Im Jahr 2035 sollen sie dann im Stundentakt nach München fahren dies ist aber auch von
Österreich und Deutschland abhängig.
«Die Doppelspur ist kein Rorschacher Projekt»
Die Doppelspur in Rorschach ist schon seit Jahren im Richtplan des Kantons St.Gallen angedacht. Dass Rechsteiner aber der Verkehrskommission und auch beim Ständerat derart vorgeprescht ist, ist
für Müller unverständlich: «Die von Paul Rechsteiner erst in den letzten Wochen in die Vorlage 'Bahnausbau 2035' eingebrachte und vom Ständerat genehmigte Doppelspur-Verlängerung, weicht von den bisherigen Verständigungsgrundlagen ab», sagt der Stadtpräsident. Die Verlängerung
der Doppelspur sei in ihrer Auswirkung nicht einfach bloss ein Eisenbahnprojekt. Es gehe vor allem auch um den Schutz der Quartiere beidseitig der Bahnlinie und deren künftige Entwicklung. «Weil die
Bahnlinie Stadt und Berg trennt, muss auch geklärt werden, ob es in jenem Gebiet eine zusätzliche Unterführung braucht und wo sich diese allenfalls erstellen lässt», sagt Müller. Dass der Stadtpräsident aus Rorschach derart reagiert, ist für den SP-Ständerat Rechsteiner nicht nachvollziehbar. Er sagt: «Die Doppelspur ist kein Rorschacher Projekt.» Und zum späten Einreichen der Vorlage sagt Damann: «Die KÖV (Konferenz der kantonalen Direktoren des öffentlichen Verkehrs) ist auf uns zugekommen und sagte, dass wir uns Gedanken machen sollen, was noch in
den Ausbauschritt 2035 der Bahninfrastruktur aufgenommen werden soll. Aus diesem Grund haben wir dies in Bern erst spät eingereicht.» Des Weiteren habe die Planungsregion Ost, bestehend aus den Kantonen St.Gallen, den beiden Appenzell, Thurgau, Schaffhausen, Glarus und Graubünden, dieses Vorgehen verlangt und unterstützt. Müller, zusätzlich SVP-Nationalrat, überlegt sich, bei der Behandlung der Vorlage im Nationalrat die Streichung des Kredits zu beantragen: «Wenn wir jetzt
die Doppelspur-Verlängerung politisch auf die Schnelle einfach akzeptieren, wird es Rorschach später schwer haben, eine siedlungsverträgliche Baumassnahme durchzusetzen», so Müller.
Schriftliche Vereinbarung zwischen allen drei Parteien
Dass der Stadtpräsident und SVP-Nationalrat mit dem möglichen Doppelspurausbau nicht einverstanden ist, ist spürbar. Denn laut Müller geht die Diskussion, eine Doppelspur zwischen Goldach und Rorschach zu bauen, schon weit zurück. Bereits in den 1920er-Jahren bestand die Idee
eines Zentralbahnhofs im Gebiet Bäumlistorkel mit gleichzeitiger Verlegung der Seelinie auf die Achse vom Zentralbahnhof direkt nach Horn. Später, ab Mitte des letzten Jahrhunderts, wurde mehrmals die Tieferlegung der St.Galler Linie in einen Tunnel vom Hauptbahnhof Rorschach nach Goldach diskutiert. Damals hatte Rorschach als Ausgangsbahnhof der Städteschnellzüge vom Bodensee zum Genfersee noch Bedeutung im schweizerischen Fernverkehr. «Der Zeitpunkt für die
Tunnellösung wurde damals verpasst», sagt Müller. Im Jahr 2005 beabsichtige dann die SBB, die Erstellung einer durchgehenden Doppelspur durch Rorschach. «Der Stadtrat lehnte diese aus zwei Gründen ab: Zum einen, um eine Tunnellösung nicht von vornherein auszuschliessen und zum
anderen um eine Gesamtlösung für Strassen und Schiene in Rorschach zu erreichen», erklärt Müller. Seit jener Ablehnung waren die politischen Beziehungen zwischen SBB, Bundesamt für Verkehr (BAV), Kanton St.Gallen und der Stadt Rorschach blockiert. Es herrschte dicke Luft. «Als Ausweg hatte der Kanton zu einem 'runden Tisch' eingeladen. Dieser endete mit einer schriftlichen Vereinbarung zwischen SBB, Kanton St.Gallen und der Stadt Rorschach, die vom Stadtrat verlangte Gesamtlösung anzugehen», sagt Müller.
Autobahnanschluss entstand aufgrund Doppelspur-Diskussion
Für die Bahnlinie zwischen Rorschach und Goldach wurde in der Folge die technische Machbarkeit der Verlegung in einen Tunnel bestätigt, allerdings mit Kosten in der Grössenordnung von mindestens 220 Millionen Franken. «Weil die Strecke im Wesentlichen nur noch Bedeutung für den Regionalverkehr hatte und gleichzeitig grosse und teure Projekte zur Kapazitätserhöhung auf nationalen Fernverkehrslinien anstanden, bot der Bund nicht Hand zur Finanzierung des Tunnels in Rorschach. Das BAV und die SBB kamen zum Schluss, dass die Verlängerung der Doppelspur von
Goldach nur bis zum Stadtbahnhof und dessen Ausbau für die Sicherstellung der Fahrplanstabilität genügen. Die letzte Teilstrecke bis zum Hauptbahnhof war weiterhin einspurig vorgesehen», erinnert sich Müller. Weiter erarbeiteten laut Müller der Kanton St.Gallen sowie die Gemeinden Rorschach, Rorschacherberg und Goldach unter Einbezug des Bundesamtes für Strassen (ASTRA) und externer Verkehrsplaner bis 2007 eine Netzstrategie für die ganze Region betreffend des Strassenverkehrs.
«Diese ergab, dass ein zusätzlicher Autobahnanschluss dicht besiedelte Quartiere der ganzen 'Stadt am See' vom Durchgangsverkehr entlasten wird», sagt Müller. Auf dieser Grundlage basierend, wurden die Planungen für Schienen und Strasse angegangen. Es entstand das Projekt «3.
Autobahnanschluss».
Marino Walser