«Rechter» Ex-Stadtrat wählt Etterlin
10.05.2019 00:00
Die Wahl um den Stadtpräsidenten in Rorschach geht in die heisse Phase. Der ehemalige Rorschacher Stadtrat Paul Frei überraschte vor wenigen Tagen mit einem Leserbrief, in dem er sich für Guido Etterlin und gegen Robert Raths aussprach. Mit den «Bodensee Nachrichten» sprach
er über seine Beweggründe.
Herr Frei, wenn Sie heute eine Partei wählen müssten, welche wäre das?
Ich wähle SVP, ganz klar!
Weshalb?
Die SVP vertritt Inhalte, welche mir wichtig sind. Ich bin aber weder ein Parteisklave, noch der Partei angehörig.
Politisch sind Sie nicht mehr aktiv. Trotzdem haben Sie mit Ihrem Leserbrief, welcher durch das «Rorschacher Echo» veröffentlicht wurde, politische Stellung für Guido Etterlin bezogen. Weshalb?
Ja, ich bin politisch nicht mehr aktiv. Eigentlich hätte ich meine Wahl im Stillen vollziehen und meine Stimme Guido Etterlin geben können. Aber die Wahlpropaganda von Robert Raths ist einfach überdimensioniert. Eines Morgens, als ich auf ein riesiges Wahlplakat von Raths blickte, kam mir folgender Spruch eines bekannten Werbers in den Sinn: «Geben Sie mir eine Million und ich mache einen Kartoffelsack zum Bundesrat». Dass alles nur eine Frage des Geldes sein soll, kann es ja auch nicht sein. Ausserdem bin ich der Meinung, dass viele die Leistungen von Guido Etterlin ausser Acht lassen. Seit Jahren macht er einen super Job im Stadtrat und als Schulratspräsident. Jetzt, da Etterlin einen Schritt weitergehen und Stadtpräsident werden will, kann man das aus mir unerklärlichen Gründen nicht akzeptieren.
Wie meinen Sie das?
Die Bürgerlichen könnten sich einfach sagen, dass man einen Schulratspräsidenten aufbaut und so die Mehrheit in Rorschach trotzdem inne hat. Ich meine damit, dass ich es seltsam finde, dass man einen Robert Raths, obwohl er zuerst nicht mal kandidieren wollte, mit relativ grossem Aufwand überredete. Und diese Lockrufe kamen von einer Seite, welche allem Anschein nach starke Interessen vertritt.
Pflegen Sie eine Freundschaft zu Guido Etterlin?
Nein, gar nicht. Ich habe weder zu Guido Etterlin, noch zu Robert Raths privaten Kontakt. Auch zu allen anderen, welche im Wahlkampf um das Rorschacher Stadtpräsidium mitmachen, nicht.
Nun ist es aber so, dass Guido Etterlin politisch gesehen das Heu nicht auf der gleichen Bühne hat, wie Sie. Weshalb befürworten Sie trotzdem die Wahl für Etterlin?
Wie ich schon im Leserbrief geschrieben habe, vertritt Etterlin, gerade wenn es um Bauprojekte geht, sinnvollere Ansichten. Darum stimme ich für ihn. Egal ob SP oder nicht.
Was spricht denn aus Ihrer Sicht gegen FDP-Mann Raths?
Ich kann nichts gegen Robert Raths sagen. Er ist für mich ein fähiger Mann. Aber ich behaupte, dass es bei Guido Etterlin eine Herzensangelegenheit ist. Einen Robert Raths hat man im Vorfeld zur
Kandidatur überredet, um damit eine mögliche Wahl von Etterlin zu verhindern. Ich weiss nicht wieso, aber bei derart viel Geld, das für Robert Raths investiert wird, müssen bestimmte Interessen im Hintergrund sein.
In Ihrem Leserbrief schreiben Sie, dass Raths «OK» sei, sie aber die «Gschäftlimacherei» zwischen bürgerlichen Stadträten nicht weiter stärken möchten. Welche «Gschäftlimacherei» meinen Sie?
Der Hauch von «Gschäftlimacherei» betrifft den FDP- und den CVP-Stadtrat. Die beiden sind am Architektenvertrag zum Friedhof-Block beteiligt, in dem es um viel Geld geht. Kommt ein FDP-Stadtpräsident dazu, ist er bei Stadtratsentscheiden auf diese beiden Kollegen angewiesen. Da sind allfällige Interessenüberlappungen in der Zukunft, zum Beispiel im Bauwesen, nur schwer steuerbar respektive kontrollierbar.
Was hat dieses Projekt mit «Gschäftlimacherei» zu tun?
Der FDP-Stadtrat Ambauen ist Geschäftsführer eines Architekturbüros. Der CVP-Stadtrat Meier präsidiert die Katholische Kirche Region Rorschach. Die Kirche vergab den Architekturvertrag für den Friedhofsblock an genau das Büro des FDP-Stadtrats. Das wäre an sich kein Schönheitsfehler,
wenn der Auftrag wenigstens ausgeschrieben worden wäre und es einen Wettbewerb um die beste Architektur gegeben hätte. Das aber passierte gerade nicht. Ich hätte nichts gesagt, wenn der Wettbewerbsgewinner Ambauen geheissen hätte. Aber alles lief irgendwie einfach durch, sozusagen von Kollege zu Kollege. So wird an einer sensiblen Stelle des Stadtbildes ein Allerweltsblock hingestellt. Man hätte das bisschen Grün des alten Friedhofs auch erhalten können, statt diesen überflüssigen Klotz hinzustellen.
Des Weiteren sprechen sie von einem kostspieligen Wahlkampfkoordinatoren, der für Raths im Einsatz ist. Was stört Sie daran?
Der Wahlkampfkoordinator ist ein Werber. Diese haben die Eigenschaft, die Welt aus ihrer Optik anzuschauen und haben das Gefühl, alles steuern zu können, was aber nicht so ist.
Und das stört Sie?
Nein, das stört mich nicht. Aber man kann diesen Ansichten Gegensteuer geben und aufzeigen, dass Parolen oder Ansichten von Werbern nicht immer zutreffend sind. Zumal «Für ein Rorschach mit Rückgrat» nicht gerade eine gelungene Parole ist.
In Ihrem Leserbrief schreiben Sie ausserdem: «Unweigerlich fragt man sich, wer bezahlt und ob da bei Gelegenheit nicht Gegenleistungen eingefordert werden. Natürlich nicht auf die plumpe Art, sondern sehr diskret und über unverfängliche Gespräche im kleinsten Kreis.» Bitte erläutern Sie diese Aussage.
Ich habe mir einfach die Frage nach dem Wieso gestellt. Die ganze Koordination und der ganze Wahlkampf kostet eine Menge Geld. Wieso gibt man das für jemanden aus, der für das Amt überredet werden musste. Dann kam mir die Antwort, dass Interessen geschützt werden müssen. Das wäre die einzige Erklärung auf die Kostenfrage. Denn ich glaube kaum, dass der ganze Wahlkampf aus reiner Sympathie finanziert wird.
Interview: Marino Walser