Verschlepptes Konkursverfahren geht zu Lasten der Gläubiger
10.12.2020 00:00
Im Fall der konkursiten Stiftung Business House zeigt sich vor allem eines: Der Ball liegt nun beim Konkursamt St.Gallen
Im Rechtsstreit um die konkursite Stiftung Business House rügte Ende November die Anklagekammer die Staatsanwaltschaft. Die Strafuntersuchungen gegen die Business-House-Stiftungsräte dürfen nicht eingestellt werden. Der Rechtsstreit könnte noch lange andauern. Recherchen der «Bodensee Nachrichten» zeigen nun: Das St.Galler Konkursamt nimmt eine Schlüsselfunktion in diesem Streit ein.
Kanton Vor gut zwei Wochen geschah in der St.Galler Justizwelt etwas, was selten vorkommt: Die Anklagekammer des Kantons stützt eine Beschwerde und rügt somit die Staatsanwaltschaft St.Gallen. So geschehen im Zwist um die konkursite Stiftung Business House. Die eingereichte Beschwerde des ehemaligen Goldacher Geschäftsführers Marcel Frei gegen die vier Einstellungsverfügungen des Untersuchungsamtes St.Gallen im Verfahren gegen die ehemaligen Stiftungsräte, wird von der Anklagekammer gutgeheissen. Damit ist die Anzeige gegen den damaligen Stiftungsratspräsident und ehemaligen CVP-Kantonsrat sowie den drei weiteren Stiftungsräten noch immer hängig. Ihnen wird betrügerischer Konkurs, Misswirtschaft und Bevorzugung eines Gläubigers vorgeworfen. Es gilt die Unschludsvermutung.
Dieser Entscheid war ein weiterer Lichtblick für den ehemaligen Goldacher Geschäftsführer der Stiftung Business House, Marcel Frei, und die damalige Stiftungsgründerin Hedi Margelisch. Gemeinsam kämpfen sie seit über zwei Jahren gegen den aus ihrer Sicht unrechtmässigen Konkurs der Stiftung. Margelisch äussert sich zu diesem Entscheid martialisch: «Die Schlacht ist gewonnen, der Krieg aber noch lange nicht.» Und damit könnte die ehemalige Kantonsrätin recht behalten. Denn Recherchen zeigen: Zur Komplexität des Falles kommt nun auch noch das Konkursamt St.Gallen ins Spiel, welches eine Schlüsselfunktion im Rechtsstreit um die konkursite Stiftung innehat. Dieses arbeitet nach Ansichten der neu gegründeten IG Reaktivierung Stiftung Business House (die Bodensee Nachrichten berichteten am 26. November darüber) «zu langsam und teils auch schludrig».
Untersuchungen des Konkursamts dauern länger als normal
Im Oktober 2018 eröffnete das Kreisgericht St.Gallen den Konkurs über die Stiftung Business House. Seit über zwei Jahren laufen nun die Untersuchungen dazu. Eine Zeit, die nicht die Regel sei, wie Urs Benz, Amtsleiter des Konkursamts, sagt: «Beim Konkursverfahren über die Stiftung Business House handelt es sich um ein grosses Verfahren mit hoher Komplexität, was zu einer längeren Verfahrensdauer führt. Solche Verfahrensdauern sind glücklicherweise nicht die Regel.» Frei und Margelisch aber bleiben bei ihrer Meinung. Sie sagen, dass die ganze Aufarbeitung nun schon viel zu lange dauere und die Gläubiger Anrecht auf ihr Geld hätten. Und das rasch. «Es darf doch wohl nicht sein, dass alleine das Erstellen eines Protokolls der Gläubigerversammlung vom 3. November, alleine über vier Wochen in Anspruch nimmt», sagt Margelisch. Hinzu komme, dass darin nicht ausgewogen dokumentiert worden sei. Marcel Frei und Hedi Margelisch sind der Meinung, dass die Aussagen des Rechtsanwalts der Dock AG und der Pro Business House AG im Protokoll gewichtiger behandelt wurden. «Uns sind solche Vorwürfe bekannt. Wir berücksichtigen aber wie bei allen Verfahren die Interessen der verschiedenen Seiten gleichermassen. Zu weiteren Details des Verfahrens kann ich nicht Stellung nehmen», schreibt Urs Benz auf Nachfrage betreffend einer Bevorzugung.
Doch die Gegenpartei bleibt bei ihren Ansichten: «Das Konkursamt ist mit der Komplexität des Falls schlicht überfordert.» Benz widerspricht: «Wir sind es uns gewohnt, Verfahren von hoher Komplexität durchzuführen. Dies unter Berücksichtigung aller Erkenntnisse, den von den Gläubigern getroffenen Entscheiden anlässlich der Gläubigerversammlung sowie Entscheidungen der Staatsanwaltschaft.»
Ausbleiben einer abschliessenden Buchhaltung im Jahr 2018
Insgesamt geht es um eine Konkursmasse von 1.9 Millionen Franken. Diese Summe soll die Stiftung auf der Seite gehabt haben, als damals der Konkurs eingeläutet wurde.
Doch wie kann eine Stiftung konkurs gehen, wenn noch knapp zwei Millionen Franken auf der hohen Kante liegen? Wäre der Konkurs überhaupt notwendig gewesen? «Nein», sagt die ehemalige Stiftungsgründerin. «Zu viele Amtsstellen haben ihren Job nicht richtig gemacht», so Margelisch. Damit spricht die ehemalige LdU-Politikerin auch das Konkursamt St.Gallen an. Es seien mit diesen knapp zwei Millionen Franken noch genügend Aktiven vorhanden gewesen, um die Stiftung weiter am Leben zu erhalten. Doch der damalige Stiftungsrat und die hinzugezogenen Beraterfirmen sind nach Analysen der Buchhaltung zu anderen Erkenntnissen gekommen. Aber Frei und Margelisch schenkten diesen keinen Glauben: «Es ist und war Kapital vorhanden. Die vom Stiftungsrat deklarierten Zahlen betreffend des Vermögens der Stiftung Business House, wurden seitens Konkursamtes nie geprüft. Der neutrale Bericht der Atempo Buchs zeigte die tatsächlichen Vermögensverhältnisse der konkursiten Stiftung auf. Zwischen der Deklaration des Stiftungsrates und den tatsächlichen Aktiven besteht eine beachtliche Differenz von über 1.3 Millionen Franken», so der ehemalige Geschäftsleiter. Genauer geht es nach Ansicht der beiden IG-Präsidenten um die Inventarliste. Oder besser gesagt um die beiden Inventarlisten. Frei sagt: «Es müssten zwei ? und nicht wie bis anhin nur eine ? Inventarlisten bestehen.» Und tatsächlich: Recherchen zeigen, dass es zwei Inventarlisten geben sollte. Die eine Inventarliste der Einsatzprogrammen des Kantons St.Gallen besteht. Doch die Inventarliste von den ausgesteuerten Werken Fürstenland, Uzwil, Bodensee, Rheintal und Buchs fehlt bis heute. Gesamtwert der fehlenden Inventarliste: 515 762 Franken. «Dieses Geld hätte der Konkursmasse gutgeschrieben werden sollen», so Frei.
Eine halbe Million Franken ist noch offen
Doch die mobilen Sachanlagen sowie Vorräte und angefangene Arbeiten der Stiftung wurde damals an die neue Firma Pro Business House AG weitergegeben. Diese wirtschaftet unter dem Dach der Dock-Gruppe. Ende Oktober 2018 wurde zu diesen beiden Punkten ein Vereinbarungsentwurf erstellt, welche aufzeigt, dass die Pro Dock AG «für die im Eigentum der konkursiten Stiftung stehende Betriebseinrichtung, Fahrzeuge und für das Materiallager einen pauschalen Kaufpreis von 60 000 Franken offeriert». Gegenstand dieser Vereinbarung bildeten die Betriebseinrichtungen und Materiallager der Standorte Uzwil, St.Gallen, Goldach, Rorschach und Berneck. Ausgenommen aus dieser Vereinbarung wurde der Standort Buchs. Doch aufgrund der Intervention durch den ehemaligen Geschäftsführer der Stiftung, wurde diese Vereinbarung beim Konkursamt St.Gallen nie unterschrieben. «Die Inventare, Maschinen und Fahrzeuge wären unter tatsächlichem Buchwert verkauft worden», so Frei.
Der Gegenwert sei nicht 60 000 sondern viel eher rund 500 000 Franken. «Das hat auch der Amtsleiter des Konkursamts, Urs Benz, gesehen. Deshalb wurde dieser einseitige Deal zu Gunsten der Pro Business House als Profiteurin nicht abgeschlossen», sagt Frei. Demnach wären weitere 515 762 Franken der Konkursmasse gut-zuschreiben. Brisant daran ist: Die ganzen Materialien, Fahrzeuge und Maschinen seien im Besitz und in Nutzung der Pro Business House AG. Bezahlt wurde dafür laut der neu gegründeten IG Reaktivierung Stiftung Business House nie. Auf Anfrage der «Bodensee Nachrichten», ob die Behauptung der IG betreffend der ausstehen-den Zahlung der Pro Business House AG zutreffend sei, antwortet Christoph Solenthaler, Verwaltungsrat Pro Business House AG, dass man sich betreffend dieserFragen direkt an Konkursamtsleiter Urs Benz richten solle. Urs Benz wiederum antwortet auf die Frage, weshalb keine Inventarliste derausgesteuerten Werken gemacht wurde: «Dies ist eine detaillierte Verfahrensfrage, zu der wir nicht Stellung nehmen können.»
Kein vollständiges Inventar erstellt
Natürlich darf Amtsleiter Benz in diesem speziellen Fall nicht mehr dazu sagen, da es sich noch um ein laufendes Verfahren handelt. Doch betrachtet man die Aufgaben des Konkursamtes genauer, ist festzustellen, dass im Falle eines Konkurses, das Konkursamt Grundaufgaben zu erfüllen hat. Unter anderem gehört das Erstellen eines Inventars dazu. Urs Benz und sein Team hätten also nach Anmeldung des Konkurses durch den Stiftungsrat, ein vollständiges Inventar der Stiftung erstellen müssen. Dies geschah nach Aussagen der IG nicht. Urs Benz, Amtsleiter Konkursamt St.Gallen, sagt zu diesem Vorwurf: «Dies ist eine detaillierte Verfahrenssache, zu der wir keine Stellung nehmen können.» Fest steht: Es muss eine gesamte Inventarliste mit der ganzen Konkursmasse her. Erst dann kann ein vermeintlicher Schlussstrich unter das gesamte Konkursverfahren der Stiftung Business House gezogen werden.Um den vermeintlichen Fehler rund um das fehlende Inventar aufzuarbeiten, engagierte das Konkursamt St.Gallen nun sogenannte Hilfspersonen in Form der Transliq AG. Diese soll gegen Bezahlung ein vollständiges Inventar erstellen, beziehungsweise auflisten. «Die Kosten für den Bezug von Hilfspersonen gehen zulasten der Konkursmasse», erklärt Benz auf die Frage, wer für die Mehrkosten aufkommen muss. Für den ehemaligen Geschäftsleiter zu viel des Guten. Er sagt: «Herr Benz versucht nun auf Kosten der Konkursmasse einen Persilschein zu bekommen.»
Beizug ausseramtlicher Konkursverwaltung wurde abgelehnt
Auch für Gesprächsstoff sorgt, dass das Konkursamt St.Gallen die Transliq AG überhaupt für das Erstellen des Inventars beauftragt. Denn an der ersten Gläubigerversammlung am 3. November wurde darüber abgestimmt, ob eine ausseramtliche Konkursverwaltung im Konkursverfahren über die Stiftung zugezogen werden soll oder nicht. Das Resultat: 24 von 32 Gläubiger stimmten gegen ein Herbeiziehen einer ausseramtlichen Konkursverwaltung. Und trotzdem hält Benz an der Transliq AG fest. «In der weiteren Verfahrensführung werden externe Hilfspersonen für Teilbereiche beigezogen. Dies entspricht einem, in grösseren Fällen und aufgrund der Komplexität von Fragestellungen, üblichen Vorgehen», antwortet Urs Benz zu diesem Sachverhalt. Für die Co-Präsidenten der IG unverständlich. Zumal die Kosten für die Transliq AG zu Lasten der Konkursmasse gehen.
Wann mit einem Abschluss des Konkursverfahrens rund um die Stiftung Business House zu rechnen ist, kann nicht vorhergesagt werden, sagt Urs Benz am Telefon. Somit müssen sich auch die Gläubiger, die noch auf Geld aufgrund eines Lohnverzichts warten, gedulden.
Von Marino Walser