Der Chef
Marc Pahud von der Panettonerei Schweiz GmbH in Tübach
Eine Schau im Kunsthaus Appenzell dokumentiert die beflügelnde Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen den Zürcher Konkreten Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp sowie Max Bill.
Kunst/Appenzell Unerwartet und grausam ist ihr Ende. In einer kalten Januarnacht des Jahres 1943, Mitten im Zweiten Weltkrieg, heizt Sophie Taeuber-Arp, die gemeinsam mit ihrem Ehemann Hans Arp auf der Flucht aus dem besetzten Frankreich im Haus Max Bills an der Limmattalstrasse 383 in Höngg untergekommen war, den Kanonenofen in dessen neu ausgebauten Gartenzimmer ein. Sie vergisst, die Abzugsklappe zu öffnen, schläft ein. Während Hans Arp sich in einem anderen Zimmer des Hauses mit Max Bill unterhält, atmet Sophie Taeuber-Arp im Schlaf das tödliche Gift ein. Am nächsten Morgen wird die 54-jährige Künstlerin tot in ihrem Bett aufgefunden. Hans Arp erholte sich nie mehr vom Verlust seiner geliebten Frau. Er verfügte testamentarisch, dass niemals eine Ausstellung seiner Werke ohne Teilnahme von Werken Sophies stattfinden dürfe. 81 Jahre nach ihrem Tod beleuchtet das Kunsthaus Appenzell mit der Ausstellung «Allianzen» die intensive, schicksalhaft anmutende Freundschaft und sich gegenseitig befruchtende Zusammenarbeit zwischen dem Ehepaar Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp und dem zwanzig Jahre jüngeren Max Bill, die in Zürich ihren Anfang nahm.
Im Jahr 1889 in Davos geboren, wuchs Sophie Taeuber in Trogen auf und liess sich in St.Gallen, München und Hamburg gestalterisch ausbilden. Bei Beginn des Ersten Weltkriegs zog sie nach Zürich und begegnete in der Galerie Tanner dem damals bereits bekannten Elsässer Künstler Hans (Jean) Arp, den sie 1922 heiratete. Beide lehnten die traditionellen Kunstformen ab und suchten nach Alternativen. Hans führte Sophie in den Kreis der Dadaisten im Cabaret Voltaire ein. Max Bill wiederum besuchte zu jener Zeit als Gold- und Silberschmiedlehrling die Kunstgewerbeschule Zürich, an der Sophie Taeuber-Arp unterrichtete. Als er gerade 17 Jahre alt war, stellte sie zwei seiner Schülerarbeiten in der legendären «Exposition internationale des arts décoratifs» in Paris aus. Als das Ehepaar Arp später ein Atelierhaus nahe der französischen Hauptstadt baute, war ihr junger Künstlerfreund Max Bill häufig bei ihnen zu Gast und durfte der international wichtigen Gruppe von Avantgardisten «Abstraction – Création» beitreten, zu der unter anderen Piet Mondrian und Georges Vantongerloo gehörten. In Zürich schloss sich 1937 die Künstlergruppe «Allianz» zusammen, deren harter Kern rund um Max Bill als die «Zürcher Konkreten» international bekannt wurde.
Das von den Zürcher Architekten Annette Gigon & Mike Guyer entworfene Kunsthaus Appenzell, das mit seinem ikonischen Zick-Zack-Dach und silbrig schimmerndem Mantel gleich neben dem Bahnhof steht, bildet für die ausgestellten Werke des Künstlertrios Bill, Arp und Taeuber-Arp einen eindrucksvollen Rahmen.
Präsentiert werden in der Ausstellung «Allianzen» Malereien, Skulpturen und Reliefs. Dazu Mappenwerke, Publikationen und Briefe, die die Interaktionen zwischen den drei Protagonisten beleuchten. Im Fokus steht zudem die Präsentation der Zeitschrift «Plastique / Plastic», welche sich der nicht figurativen Kunst widmete. Erstmals überhaupt werden die Entwürfe der Heftnummer sechs gezeigt, die aufgrund des frühen Todes von Sophie Taeuber Arp nicht mehr realisiert werden konnte. Arp, Taeuber-Arp und Bill, das ist eine inspirierende Geschichte, die man sich in diesem Sommer in der kleinen Stadt Appenzell erzählen lassen sollte.
Von Isabella Seemann.
Isabella Seemann ist freie Journalistin und lebt in Zürich. Den Beitrag "Drei Freunde in der Provinz" über die Ausstellung «Allianzen – Arp, Taeuber-Arp, Bill» im Kunstmuseum Appenzell verfasste sie für die Ausgabe Nr.23 des Tagblatt der Stadt Zürich vom Verlag Swiss Regiomedia AG, welche am Mittwoch, 5. Juni erschien.
Die Ausstellung «Allianzen – Arp, Taeuber-Arp, Bill» ist noch bis zum 5. Oktober 2024 im Kunstmuseum Appenzell in Appenzell AI zu sehen. Ein zusätzliches Kapitel der Schau wird in der Fondazione Marguerite Arp in Locarno bis zum 3. November gezeigt. Das Buch zur Ausstellung ist im Verlag Scheidegger & Spiess erschienen.
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