Erich Zingg
ist mit 64 Jahren überraschend verstorben
In den vergangenen Jahren waren Steuererhöhungen eher eine Seltenheit, schliesslich möchte jede Gemeinde möglichst attraktiv bleiben. Daher werden Erhöhungen des Steuerfusses meist erst als ultima ratio in Betracht gezogen. Stattdessen wird eingespart oder von den Reserven gezehrt. Wurde der Steuerwettbewerb in der Region auf Kosten der nächsten Generationen geführt?
Steuerwettbewerb Das Festlegen des Steuerfusses ist für die Stadt- oder Gemeindepräsidenten jedes Jahr aufs Neue eine Bewährungsprobe, denn wer zahlt schon gerne mehr Steuern? Knatsch gab es dieses Jahr deswegen besonders an der Bürgerversammlung in Goldach, wo der Steuerfuss um neun Prozent erhöht werden sollte.
Für das Jahr 2024 erhöhten nur zwei politische Gemeinden im Kanton St.Gallen die Steuern. Wie sieht es für das Jahr 2025 aus? In Goldach wurde der Steuerfuss schliesslich nach reger Debatte um vier Prozent erhöht. Damit liegt die Gemeinde aber noch immer unter dem kantonalen Durchschnitt des Jahres 2024 von 113 Prozent und sie ist gegenüber den meisten Nachbarkommunen noch immer attraktiver. Im Gegensatz zu den Goldachern, die sich noch wehrten, dann aber ein demokratisches Einsehen hatten und sich auf eine abgemilderte Erhöhung einigten, schluckten die Rorschacherberger zum zweiten Mal die «bittere Pille» von Patrick Trochsler und segneten erneut eine Erhöhung des Steuerfusses ab. Diese fiel mit zwei Steuerfussprozenten jedoch niedriger aus als die letztjährige. Steinachs Gemeindepräsident Michael Aebisegger brachte gar eine Erhöhung des Steuerfusses von sieben Prozent in trockene Tücher. In den Städten St.Gallen und Rorschach bleibt der Steuerfuss 2025 gleich, wie auch in Gossau. Im Rheintal wurden von 2023 auf 2024 in vielen Gemeinden gar die Steuerfüsse gesenkt, so dass es nicht erstaunt, dass sie für 2025 meist unverändert belassen werden. Die Bodenseeregion, mit der Region um die Stadt St.Gallen und dem Rheintal verglichen zeigt, dass Gemeinden im Rheintal generell tiefere Steuerfüsse haben. In St.Gallen, Rorschach und Altstätten ist der Steuerfuss naturgemäss für Städte verhältnissmässig hoch. Am attraktivsten ist nach wie vor Balgach im Rheintal mit gleichbleibenden 61 Prozenten.
Ein Blick über die Kantonsgrenzen zeigt: Im Thurgau hielt 2024 ein Grossteil der Politischen Gemeinden an den Steuerfüssen des Vorjahres fest. Nur sieben Gemeinden senkten den Steuerfuss, drei erhöhten ihn. Das sind deutlich weniger Reduktionen als in den Vorjahren: 2023 hatten 16, 2022 sogar 25 Politische Gemeinden ihren Steuerfuss herabgesetzt. Auch im Jahr 2025 bleiben die Steuerfüsse grösstenteils unverändert. Als Beispiele sind Arbon, Romanshorn wie auch Horn anzufügen. In den beiden Appenzell sieht es ähnlich aus – beispielsweise auch in Herisau und Heiden bleiben die Steuerfüsse kommendes Jahr unverändert. Im Kanton Thurgau und in den beiden Appenzell ist die Steuerbelastung für die Haushalte allerdings generell niedriger als im Kanton St.Gallen.
Jedoch ist fast überall die angespannte Finanzlage spürbar und meist musste an den Bürgerversammlungen ein Aufwandüberschuss ausgewiesen werden. Trotzdem sind die St.Galler Kommunen in den vergangenen Jahren und auch für 2025 zaghaft an Erhöhungen des Steuerfusses herangegangen. Peter Hongler, Professor für Steuerrecht mit Lehrstuhl an der Universität St.Gallen, äussert sich zur Entwicklung der Steuerfüsse auf Nachfrage folgendermassen: «Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass in den letzten 15 Jahren im Kanton St.Gallen eine Tendenz zur Senkung der Steuerfüsse bestand.»
Kommunen haben drei Möglichkeiten, um den Finanzhaushalt zu beeinflussen: Reserven aufbrauchen, den Steuerfuss erhöhen oder Kosten sparen. In Goldach wurde auf Antrag der FDP nun beschlossen, nur um vier Prozent zu erhöhen statt um neun. Das Anliegen der Bürgerinnen und Bürger, früher zu informieren, ist aber durchgedrungen. Dies will der Gemeinderat künftig beispielsweise mit Dorfapéros tun. Zudem wurde der Gemeinderat in einem Antrag zu Traktandum 4 gebeten, bis Herbst 2025 in einem transparenten Prozess unter adäquatem Einbezug der Bevölkerung und der Parteien Massnahmen zur langfristigen Sicherstellung stabiler Finanzen zu treffen. «Dazu gehören ein Sparpaket mit Priorisierung, eine Projektstrategie, sowie eine Steuerstrategie», fand Jürg Lindenmann, Präsident der SVP Goldach, in seinem Votum. Goldachs Gemeindepräsident Dominik Gemperli nahm diesen Antrag wohlwollend entgegen. Ob und in welcher Form ein Sparpaket möglich sei, könne aktuell nicht beantwortet werden. Die mit Abstand grösste Aufwandposition mit dem stärksten Anstieg sei im Bildungsbereich zu verorten. «Zudem liegt eine Disparität zwischen Steuerfuss und Steuerkraft vor», erklärte Dominik Gemperli. Die Antwort werde bis spätestens zur nächsten Bürgerversammlung gegeben.
Viele Kommunen zehren, statt die Steuern zu erhöhen, erst einmal weiter von den Reserven. Peter Hongler meint dazu, dass es irgendwann einen Gegentrend zur Tendenz zur Senkung der Steuerfüsse geben werde, die er bei seiner Auswertung der Steuerfüsse der St.Galler Kommunen der letzten 15 Jahre feststellte. Auf die Frage, ob die Aussage gemacht werden könne, dass dieser Gegentrend nun eingesetzt habe, prognostiziert Hongler: «Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen der fiskalische Druck in den nächsten Jahren haben wird.» Eine Korrektur würde aber auf den ersten Blick nicht überraschen, analysierte der Steuerrechtsprofessor.
Die Aversion der Kommunen gegenüber Erhöhungen des Steuerfusses und stattdessen die Tendenz zu Steuerfusssenkungen, um gegenüber den anderen Gemeinden in der Ostschweizer Region möglichst attraktiv zu bleiben, könnte sich rächen. Denn wer die Steuern senkt, der hat weniger Einnahmen und wer Jahr für Jahr einen Aufwandüberschuss ausweisen muss, auch ein stetes Minus in der Kasse. Gleichzeitig könnten Einsparungen als Massnahme dagegen längerfristig gesehen zu einer schlechteren Infrastruktur und damit zu weniger Lebensqualität führen. So wurde in einem Votum an der Bürgerversammlung in Goldach für die Steuerfusserhöhung plädiert, da Goldach in der Vergangenheit von tiefen Steuern profitiert habe und nun die Konsequenzen getragen werden sollen – sprich, der Erhöhung des Steuerfusses zugestimmt werden solle. Zahlen kommende Generationen also indirekt, dafür, wenn heute Steuerfusserhöhungen abgelehnt werden? Professor Hongler relativiert: «Ein gewisser Kostendruck ist auch positiv, denn es ist gut, die Ausgaben jährlich zu überprüfen und zu entscheiden, was wofür ausgegeben werden soll.» Da gingen die Meinungen dann aber je nach politischer Auffassung auseinander, so der Steuerrechtsexperte der Universität St.Gallen.
Claudia Eugster
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