Dagegen
23.02.2019 06:00
Dagegen sein ist nachvollziehbar. Man hat gewissermassen einen Dorn im Auge, der entfernt sein will. Und sei es nur darum, weil sich sonst die Augen nicht so leicht vor dem Dafür verschliessen lassen. Dagegen sein hat den Vorteil, dass es in der Regel ziemlich einfach ist und einigermassen eindeutig. Sei es nun die Handyantenne im Wohnquartier, die Schallschutzwand auf der falschen Seite der Autobahn oder das Windrad in der grünen Landschaft. Nein, auf keinen Fall, da ist man dagegen. Meistens verstehe ich diese spontanen Reaktionen, es geht mir ja auch nicht anders. Um gegen etwas zu sein muss ich nicht länger nachdenken, mein Bauchgefühl genügt. Ich lasse mich leiten von der Angst vor möglichen unerwünschten Folgen und einer Einschränkung meiner Wahlfreiheit. Auch wenn diese Wahl ja meistens darin besteht, dagegen zu sein. Dieses reflexgeleitete Handeln treibt dann zuweilen auch eigenartige Blüten. Dies, obwohl schon Talleyrand gesagt hat, dass Opposition die Kunst sei, so geschickt dagegen zu sein, dass man später dafür sein könne. Besonders schön ist das aktuell bei den Brexit-Verhandlungen im britischen Parlament zu sehen. Da sind alle gegen etwas. Die einen sind dagegen, dass die anderen dagegen sind.
«Jedes Dagegen bräuchte ein Dafür.»
Die anderen sind dagegen, dass die einen nicht dagegen oder gegen etwas anderes sind. Wäre es ein Märchen, würde es wohl mit den Worten enden: Und wenn sie nicht gestorben sind, dann sind sie noch dagegen. Was übrigens auch ein gutes Argument gegen das Sterben wäre. Zur gedeihlichen Entwicklung unseres Landes wäre daher unbedingt ein neues Gesetz zu prüfen: Wer gegen etwas ist, muss immer auch sagen, wofür er denn im Gegenzug ist. Wer eine Lösungsidee ablehnt, muss dafür eine andere präsentieren. Allerdings ist durchaus damit zu rechnen, dass bei einer möglichen Abstimmung über dieses neue Gesetz wohl fast alle dagegen wären. Ich nicht. Ich wäre ausnahmsweise dafür.
peter.gut@swissregiomedia.ch