Marcel Baumgartner
hat per 1. Februar 2025 die Leitung des Swiss Regiomedia AG Standorts in St.Gallen…
Am 22. Juni wird in Heiden in Appenzell Ausserrhoden der Böögg doch noch verbrannt – für das Dorf ein regelrechter Mammut-Anlass. Echte Pferde werden den Scheiterhaufen allerdings nicht umrunden.
Heiden Für Zürich war dieser 12. April ein fast schon surreales, sicher aber ein historisches Ereignis, als die Böögg-Verbrennung am Sechseläuten kurz vor 18 Uhr kurzerhand abgesagt wurde. Die zu starken Windböen hatten den Schneemann vor dem Feuertod bewahrt – und das Zentralkomitee der Zünfte Zürich sprach von einer «Tragödie». Rasch war es indessen eine beschlossene Sache, dass die verpatzte Böögg-Verbrennung nachgeholt werden würde – und zwar im diesjährigen Gastkanton Appenzell Ausserrhoden. Am Samstag, 22. Juni, wird nun in Heiden auf der Streuliwiese pünktlich um 18 Uhr der Scheiterhaufen entzündet. Der Blick des Bööggs wird während seiner Verbrennung nach Zürich gerichtet sein.
Dabei bleibt dieses Sechseläuten in Raten auch im Appenzeller Exil eine Besonderheit: Der Umritt der Zunft zur Schneidern wird nicht auf echten Pferden erfolgen – sondern auf hölzernen Steckenpferden. Die Pferde-Simulation hat einen ganz profanen Grund: Die Bodenbeschaffenheit der Streuliwiese eignet sich nicht für den Einsatz von Pferden, die Auslegung eines speziellen Reitbelags wie in Zürich käme zu teuer. Zudem ist das Gelände abfallend.
Die Idee, Steckenpferde für den Umritt einzusetzen, ist in der langen Geschichte des Sechseläutens tatsächlich nicht neu. 1965 ersetzten sie ebenfalls die abwesenden Pferde. Auf den Steckenpferden hopsten die Männer der Zunft zur Schneidern um den Holzstoss. Damals hatte sich in der Schweiz die Pferdegrippe, auch Skalma genannt, seuchenartig ausgebreitet. Bis heute ist keine wirksame Behandlung dieser Viruserkrankung bekannt. Sie kann lediglich symptomatisch angegangen werden, einhergehend mit einer mehrwöchigen Schonzeit der betroffenen Pferde.
Die Schweizer Pferdesport- und Reitszene wurde durch die Pferdegrippe 1965 lahmgelegt, sämtliche Anlässe wurden abgesagt. Davon betroffen war auch der Einsatz von Pferden beim Zug der Zünfte am Sechseläuten. Ausgenommen davon wurden die Zugpferde an den Wagen, weil sie nicht mit Pferden aus fremden Ställen in Berührung kamen.
Ausgerechnet an diesem fast pferdelosen Sechseläuten hatte sich die Crème de la Crème des Schweizer Pferdesports in Zürich als Ehrengäste eingefunden. Henri Chammartin, der Goldmedaillengewinner der Olympischen Sommerspiele in Tokio, war ebenso anwesend wie Marianne Gossweiler und Gustav Fischer, die zusammen mit Chammartin in der olympischen Mannschaftsbewertung des Dressurwettbewerbs Silber geholt hatten. Eingeladen hatte sie die Zunft zum Weggen. Sie war einst die erste Zunft gewesen, die mit einer eigenen Reitergruppe am Sechseläuten teilnahm.
Für das kleine Heiden ist die Austragung der Böögg-Verbrennung ein Mammut-Anlass. Gerechnet wird mit rund 5'000 Besuchern. Erwartet werden zudem 1'500 Zürcher Zunft-Mitglieder. Der Festbetrieb unter dem Motto «Ein Fest der Begegnung und Freundschaft» startet ab 14 Uhr. Geboten wird ein Festzelt für 900 Personen und Festbänke in unmittelbarer Nähe zum Festplatz. Dazu kommen lokale Marktstände, Ess- und Getränkestände, Musik und Gesang. Um 16.30 Uhr werden die Ehrengäste bei einem nicht öffentlichen Anlass im Kursaal Heiden empfangen. Begrüsst werden sie von Yves Noël Balmer, Landammann von Appenzell Ausserrhoden, weitere Ansprachen halten Natalie Rickli, Regierungspräsidentin Kanton Zürich und Felix H. Boller, Präsident des Zentralkomitees der Zünfte Zürichs. Die Stadt Zürich wird offiziell durch Stadträtin Simone Brander und Stadtrat Michael Baumer vertreten sein, die als Ehrengäste in Heiden empfangen werden.
Bewacht wird der Böögg auf der Streuliwiese ab 17.30 Uhr durch die historischen Landjäger der Kantonspolizei Zürich. Zum Steckenpferd-Umritt wird das Landsgemeindelied, die Appenzeller Hymne schlechthin, sowie der Sechseläutenmarsch vom interzöiftigen Zunftspiel mit über 70 Musikern gespielt. Nach dem Sechs-Uhr-Schlag der Kirche Heiden werden Yves Noël Balmer, Natalie Rickli und Felix H. Boller gemeinsam den Scheiterhaufen entzünden. Der Festbetrieb wird bis ca. 22 Uhr dauern.
Anlässlich der Böögg-Verbrennung komponierten Musiker Salvo Ingressia und der Geiger Hannes Live! aus Wolfhalden sogar einen eigenen Song. «Dä Böögg de gaht uf Heiden» wird bereits am Freitag, 21. Juni, im Hotel Heiden offiziell getauft.
Von Jan Strobel.
Weitere Infos und detailliertes Programm unter: www.heiden.ch
ist Redaktor beim Tagblatt der Stadt Zürich und freischaffender Journalist. Den Beitrag "Umritt auf Pferden" über den die Skalma, den Grund wieso der Böögg bereits 1965 einmal auf Steckenpferden umritten werden musste, wie nun 2024 in Heiden wegen der ungeeigneten Bodenbeschaffenheit der Streuliwiese, verfasste er für die Ausgabe Nr.24 des Tagblatt der Stadt Zürich vom Verlag Swiss Regiomedia AG, welche am Mittwoch, 19. Juni erschien.
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