Die Glöckner von Rorschach
Jeden Tag um 11 und 18 Uhr wir die Glocke am Jakobsbrunnen auf dem Königsplatz in Rorschach geläutet. Diese Aufgabe übernimmt eine engagierte Gruppe von Glöcknerinnen und Glöcknern.
Rorschach Seit 2010 wird die Glocke im Jakobsbrunnen wieder von Hand geläutet. Dafür zuständig ist eine Gruppe von motivierten Glöcknerinnen und Glöcknern, einer davon ist der Rorschacher Vinzenz Lutz. Er ist seit 2011 im Team dabei. Der 70-Jährige hat sich der Gruppe angeschlossen, weil er etwas für die Öffentlichkeit tun will. «Ich bin ein gläubiger Mensch, gehe aber nicht regelmässig in die Kirche, dies ist nicht nötig, um gläubig zu sein», sagt Lutz, der der reformierten Kirche angehört. «Während des Läutens entstehen viele Gespräche mit Passanten und Pilgern, welche mich nach dem Grund des Läutens oder über den Jakobsweg, der hier beginnt, befragen», sagt Lutz. Letztes Jahr sei auch Mal die Stadtführung während des Läutens vorbeigekommen. Trotz des religiösen Hintergrundes des Angelus-Läutens ist das Glöcknerteam nicht der Kirchgemeinde unterstellt, sondern der Gemeinde Rorschach, diese ist ebenfalls Eigentümerin des Jakobsbrunnens und für dessen Unterhalt zuständig. Die vier Glöcknerinnen und zwölf Glöckner organisieren untereinander, wer und wann für das Angelus-Läuten zuständig ist. «Bei so vielen Leuten kommt jeder im Schnitt nur vier bis sechs Mal im Monat an die Reihe. Wir führen eine Liste, in der sich jeder selbst nach seinem Wunsch eintragen kann», sagt Lutz. Einmal im Jahr lädt die Gemeinde das Glöcknerteam als Dank zum Essen ein.
Seit 1160 Jahren wird geläutet
Der Jakobsbrunnen steht da, wo früher die Jakobskapelle als Raststätte für Pilger diente. «In der Kapelle wurde das Angelus-Läuten dreimal täglich und immer Morgens das Laudens-Gebet, Mittags das Sext-Gebet und Abends das Vesper-Gebet vollzogen. In dieser Stunde haben die Mönche der Kapelle gemäss Angelus gebetet», erzählt Vinzenz Lutz. 1833 wurde die Kapelle zur Stauminderung abgerissen und der erste Jakobsbrunnen wurde erbaut. In der Säule des Brunnens wurde ein mechanisches Uhrwerk eingebaut und die Glocke der Kapelle wurde übernommen. 1895 wurde der Brunnen ersetzt und eine neue Glocke eingebaut, die Kapellenglocke wurde dem Kornhaus-Museum in Rorschach übergeben. «Die Glocke wird seit 2010 wieder von Hand von uns Glöcknern geläutet. Dieses Angelus-Läuten vollziehen wir täglich vom 31. März bis 31. Oktober immer um 11 und 18 Uhr und mindestens 3 Minuten lang mit einem regelmässigen harmonischen Schlag, so dass es weit zu hören ist», erklärt Lutz. Gebetet wird jedoch nicht mehr. «Wenn jemand verstorben ist, den ich gekannt habe, läute ich die Glocke für ihn als Gruss», sagt Lutz.
Der Appenzeller Jakobsweg
Der Jakobsbrunnen auf dem Kronenplatz ist der Ausgangspunkt des Appenzeller Jakobswegs und endet in Herisau am Pilgerbrunnen beim Gasthof Adler. Diese Etappe ist 26 Kilometer lang und führt durch Untereggen, St. Gallen, Stocken und Schlussendlich nach Herisau. «Ich bin vor paar Jahren den Jakobsweg von Rorschach bis nach Rapperswil gefolgt aber nicht am Stück und nur bei gutem Wetter. Dafür habe ich insgesamt sechs Tage gebraucht. Ein richtiger Pilger wandert bei jedem Wetter und am Stück, nicht so wie ich», sagt Lutz lächelnd. Das Ziel des Jakobsweges ist die Kathedrale in Santiago, Spanien. Der Start kann jedoch variieren, denn es gibt nicht «den» Jakobsweg, sondern ein Netz von Jakobswegen in Europa. Es gibt Pilger, die nur die letzten 100 Kilometer des Jakobswegs absolvieren, dies reicht nämlich, um die Pilgerurkunde Compostela zu erhalten.
Andrea Vieira