Ein «Fels in der Brandung» verabschiedet sich
Wie verabschiedet man eine lebende Legende, die nach 35 Jahren die Türe zu dem Lokal schliessen wird, in dem auch ein bisschen Rorschacher Geschichte geschrieben wurde? Am besten mit einem Jubiläum, das von Januar bis Juni dauert. Am 11. Juni ist allerdings Schluss. Moni geht in die verdiente Pension und die Rorschacher Gastroszene ist um ein Original ärmer.
Rorschach Sie als «Fels» zu bezeichne, passt äusserlich gar nicht zu Monica Thoma, oder eben «Moni» wie sie von allen Stammgästen – und das sind 99 Prozent – genannt wird, denn sie ist eine zierliche Person. Immer hübsch geschminkt mit manikürten Fingernägeln. Aber für das Restaurant Rheinfels, in dem sie 35 Jahre lange gewirtet hat, war sie eben gerade dieser Fels in der Brandung. Aus einer Familie von Beizern komme sie, meint Moni und das Wort «Beiz» wirkt überhaupt nicht despektierlich.
Ein Ort für Generationen
Moni kommt aus einer Familie, die bereits über drei Generationen in der Gastronomie gewirkt hat und auch ihre Gäste kamen aus ebenso vielen Generationen. Es verkehren heute junge Sportler bei ihr, die bereits mit ihrem Grossvater ein gratis Sirüpli getrunken haben, während er sich ein «Tschumpeli» genehmigt hat. Einer dieser Enkel trinkt heute seinen guten Tropfen Wein am liebsten in einem solchen Glas, weil es ihn an den Grossvater erinnert. Und so hängen auch im ganzen Restaurant lauter Erinnerungen an Sportanlässe und besonders auch an Anlässe von ihren «Bueben». So nennt sie liebevoll die drei Söhne ihrer Schwester, die sich auch heute noch nie zu schade sind, ihr unter die Arme zu greifen und mitzuhelfen, wenn Moni einen grösseren Anlass durchführt. «Wenn ich pfeife, dann kommt die ganze Familie», sagt Moni mit einem sportlichen Unterton. Schliesslich hat sie früher mal selber Fussball gespielt und war ein grosser FC Basel Fan, da sie in der Stadt am Rhein auch lange gearbeitet hat. Später hat sie dann aber schon zu den «Grünen», also zum FCSG gewechselt und war natürlich auch Supporterin der lokalen Fussballclubs, von denen viele Bilder die Wände zieren. Familie und Freunde unterstützten in schwierigen Zeiten.
Auf die Familie und gute Freund:innen kann sich Moni immer verlassen. Sie haben geholfen während den Fasnachtszeiten, an besonderen Anlässen und insbesondere auch wenn diverse Krankheiten ihr harte Schicksalschläge beschert hatten. Von zwei Herzinfarkten über einen Hirntumor bis zu Gürtelrose im Gesicht, unter der sie immer noch leidet, scheint sie verschiedene Herausforderungen vom Leben erhalten zu haben. Aber sie verzagt nie. «Ich bin niemandem futterneidig, aber ich grüble auch nicht darüber nach, warum das jetzt mir passiert ist.» Auch wenn ihr die Familie in dieser Krisenzeit eine grosse Stütze war: Irgendwie haben ihr diese Phasen der Krankheiten geholfen, den Ausstieg aus der Gastronomie zu wagen. Besonders während der Pandemie hat sie gemerkt: es geht auch anders und so hat sie sich entschieden aufzuhören. Wenn Leute sie darauf ansprechen, was sie denn jetzt machen würde ohne Rheinfels, lässt sie einen heiseren und so typischen Moni-Lacher los und sagt: «Ja das, was die anderen Pensionierten auch machen: das Leben geniessen.» Kleinere Reisen will sie machen und das Leben zelebrieren.
Rheinfels Flohmarkt im Juni
Den riesigen Fernseher, der jetzt noch zum Inventar gehört, nimmt sie wahrscheinlich mit nach Hause in die Stube in ihrer hübschen Wohnung mitten in Rorschach. Aber den Rest des Inventars wird sie in der dritten Juni Woche wohl oder übel verkaufen müssen. «Ich habe gerade Bescheid erhalten, dass die Lokalität nicht mehr als Restaurant weitergeführt wird.» meint sie etwas enttäuscht, denn Sie hätte eine Idee gehabt für eine Nachfolgeregelung. Aber die Verwaltung hat sich dagegen entschieden. Daher wird es einen grossen Rheinfels-Flohmarkt geben. Ein Anliegen ist ihr, dass die grosse Bar noch einen Käufer findet. Denn gerade an dieser Bar wurde ein bisschen RorschacherGeschichte geschrieben. In 35 Jahren hat Moni einige Stadtpräsidenten erlebt und viel von den Gästen jeder Generation gehört. «Als Beizerin bist du auch immer ein bisschen Psychologin. Hier erzählen dir die Gäste Dinge, die sie sonst niemandem erzählen. Und bei mir wussten sie auch immer, dass ich keine Geheimnisse ausplaudere und alles im Rheinfels bleibt.» erzählt Moni mit Stolz.
Rindsbraten und Hongkong-Würstli
Gespickter Rindsbraten an Barolosauce, Wiener Kalbsrahmgulasch oder Hongkong-Würstli, die kaum an einem anderen Ort mehr auf dem Menü stehen, waren im Rheinfels Bestandteil der Speisekarte . Bis vor acht Jahren hat Moni sogar noch jeden Mittag ein Menü gekocht für ihre Stammgäste. Weil sie selber Fondue so liebt, kam bei ihr auch die Idee auf, Fondue das ganze Jahr und bereits ab einer Person anzubieten. «Dass sie an anderen Orten zu bequem sind, um ein Fondue für eine Person zu kochen, verstehe ich nicht.» So hat sie auch öfters Gäste aus dem Ausland verköstigt, die diese Schweizer Spezialität kennenlernen wollten und die ihr von verschiedenen Hotels geschickt wurden. Und dort konnte sie dann auch ihre Sprachkenntnisse in Englisch und Französisch wieder anwenden und sich mit den Gästen über vergangene Reisen und Abenteuer unterhalten. «Reisen muss man, wenn man jung ist und noch auf den Putz hauen kann» sagt sie lachend. Jetzt freut sie sich auf gemütliche Ausflüge an Orte, die sie schon lange nicht mehr besucht hat: mal eine ganze Woche nach München oder ein paar Tage in die Hauptstadt Bern. Darauf und nicht mehr zu «müssen» , freut sie sich mit einem einem Strahlen in den Augen. Aber sie hat auch schon ein paar Pläne im Hinterkopf: «hier und da meinen Bueben oder meinem Bruder mal aushelfen, das werde ich auch mit meinen 71 Jahren bestimmt noch ab und zu machen».
Am 11. Juni ist Schluss
Moni als Original zu bezeichnen, ist fast zu wenig. Sie war eben doch der (Rhein)Fels in der Brandung für viele ihrer Gäste. Daher dauerte das Abschiednehmen jetzt auch von Januar bis Juni. Am 11. Juni ist es dannwirklich soweit und die Türen zum Rheinfels schiessen für immer. Was bleibt sind unzählige Erinnerungen und Anekdoten an Moni und ihrenBetrieb aus vergangenen Zeiten.
von Barbara Fuhrer