Fast alle Koffer kommen an...
Warteschlangen, kein Gepäck, Annullierungen und Personalengpässe. Was zahlreiche grosse Flughafengesellschaften in die Knie zwingt, ist am Flughafen St.Gallen-Altenrhein kein Thema. Hier wird der Flugplan eingehalten und der Koffer kommt ebenfalls an.
Altenrhein Das aktuelle Chaos an Europas Flughäfen ist die Retourkutsche der Personalmassnahmen während der Corona Pandemie. Grosse Fluggesellschaften haben ihr ganzes Personal gekündigt und nun bleiben sie sprichwörtlich am Boden. Keine Flight Attendants, kein Bodenpersonal und niemand, der sich um das Flugfeld kümmert. Während die Pilot:innen auf ihre Starterlaubnis warten, rekrutiert Deutschland Tausende von neuen Arbeitskräften und versucht, das Flughafenchaos in der Ferienzeit zu beenden.
Ganz anders sieht es am Flughafen St.Gallen-Altenrhein aus. «Hier, im malerischen Rheintal, wenige Meter vom Bodensee entfernt, ist die Welt noch in Ordnung», sagt CEO Thomas Krutzler beruhigt, denn es sähe grundsätzlich gut aus: «Die letzten beiden Jahre haben wir genutzt, uns strukturell und effizient neu aufzustellen. Lieferanten und Partner wurden geprüft, Kosten gesenkt und unser Team war in Kurzarbeit». Möglich war dieser Schritt nur durch den starken Zusammenhalt der Holding. Die People's Air Group (auch People's Holding AG) umfasst die Altenrhein Realco AG (Immobilien), die Altenrhein Luftfahrt GmbH und die Airport Altenrhein AG. Dass das Airport Team bereits letzten Sommer aus der Kurzarbeit zurückgekommen ist, scheint für Krutzler ein wahrer Glücksgriff zu sein, denn so konnte man rasch reagieren und die Bedürfnisse der Kunden abdecken.
«Sind gut aufgestellt»
Personal scheint Mangelware zu sein, denn nicht nur das Thema «Schichtarbeit» ist bei vielen Bewerbern ein Problem, sondern auch die Loyalität zum Unternehmen habe sich stark verändert. Die Bedürfnisse der jungen Fach-Nachwuchskräfte haben sich durch die Pandemie verändert. «Man merkt, dass die Fluktuation in der Luftfahrt nach dem Lockdown sehr gross war. Die Branche ist gebeutelt und auch wir suchen teilweise Personal, wenn auch wenig», so Thomas Krutzler. Momentan fehle es an Check-in Personal, an Vorfeld-Mitarbeitern für das Rollfeld und für die Infrastruktur werden ebenfalls Fachkräfte gesucht. Ansonsten sei man jedoch zufrieden und vor allem gut aufgestellt.
«Profitieren von unserer Grösse»
Während sich die Lufthansa momentan mit einem Schreiben bei ihren Kunden für die Treue bedankt und gleichermassen um Geduld bittet, wird am Flughafen St.Gallen-Altenrhein weiter gearbeitet. 80 Privatflugzeuge stehen hier und diese sind wichtiger denn je. Tägliche Landegebühren, Handlinggebühren oder Mieten kommen dem Flughafen zugute. «So konnten wir wenigstens einen Teil des Verlustes abfangen», sagt CEO Krutzler. Dennoch, ohne staatliche Zuschüsse aus der Schweiz und aus Österreich, wäre hier nichts mehr gegangen. Ebenfalls ein Garant für monatliche Einnahmen sind die zahlreichen Charterflüge nach Spanien, Griechenland oder in andere Mittelmeer-Destinationen. Mit Wien habe man derzeit jedoch ein Stiefkind, denn scheinbar sind viele Geschäftsleute auf die Bahn umgestiegen, was für das Unternehmen natürlich eine Herausforderung ist. Man hoffe dennoch, sich «gesund zu fliegen», wenn das auch noch ein bisschen dauern mag. Immerhin fliegt die Fluggesellschaft Peoples 600 Flüge pro Jahr ab St.Gallen-Altenrhein. «Wir profitieren von unserer Grösse, die Wege sind kurz und übersichtlich. Wir garantieren ein komfortables und stressfreies Reisen. Unsere Destinationen werden bis spät in den Herbst hinein angeflogen», betont Thomas Krutzler.
Hauseigener Limousinenservice
Das aktuelle Flughafendesaster in weiten Teilen Europas betrifft den Flughafen St.Gallen-Altenrhein nicht. «Wir haben solide Verträge mit den Dienstleistern vor Ort und unsere Koffer kommen fast immer an. Man kann es an einer Hand abzählen, was uns pro Jahr verloren geht», sagt Krutzler und weist darauf hin, dass diese verlorenen Gepäckstücke dann mit dem hauseigenen Limousinenservice nachgeliefert werden. Mindestens so professionell werden auch eventuelle Kosten zurückerstattet. Innerhalb von 48 Stunden sei das Geld auf dem Konto, sollte ein Flug aus irgendwelchen Gründen annulliert werden müssen. Während der Pandemie habe das perfekt geklappt, man sei ausserdem kulant mit Umbuchungen.
«Willst du gelten, mach dich selten»
Neben einem kostenlosen Essen an Bord und so vielen Getränken wie man will, also à discrétion , wird in der Luft die «Open Bar» geöffnet. Ein reservierter Sitzplatz versteht sich von selbst, das Gepäckstück bis zu 20 Kilo und der Service in der Luft sind ebenfalls im Preis mit dabei. «Wir arbeiten mit den Ressourcen, die wir haben und rühren jetzt keine grosse Werbetrommel», so Thomas Krutzler. Man müsse nicht den grossen Bedarf abdecken und solle sich momentan darauf konzentrieren, was man habe, so der CEO abschliessend.
Von Dominique Sohm