Kristallhöhlenmord vor 40 Jahren bleibt unvergessen
Immer wieder Indizien zu einem der mysteriösesten Kriminalfälle der Schweiz.
Vor bald 40 Jahren, am 31. Juli 1982, wohl um die Mittagszeit, sind die beiden Goldacher Mädchen Karin Gattiker
Kobelwald Für den St.Galler Privatdetektiv Sterios Vlachos, der verschiedene schwere Kriminaltatbestände aufgedeckt und im Auftrag ebenfalls in dieser Angelegenheit ermittelt hat, kommt die Tatsache, dass der oder die Täter nie ermittelt worden sind, nicht vonungefähr: «Die Untersuchungsbehörden und die Kriminalpolizei sind lange auf der falschen Fährte gewesen. Sie haben sich auf zwei Personen, einen Chauffeur und einen Kaufmann, ausgerichtet, die wegen fehlender Beweislage dann aberwieder aus der Haft entlassen werden mussten. Ich habe von anfang an breiter recherchiert und konnte von den Einwohnerinnen und Einwohnern der Gemeinde Oberriet viel erfahren, da iich wegender Aufklärung der schweren Gewalttat am OOberkieferLehrer Richard Heeb, der mit SSchüssen niedergestrecktwurde, viel Vertrauen geschaffen hatte.»
Interessantes Dokument
Vlachos ist der Auffassung, dass eine dritte Person von den Untersuchungsbehörden und polizeilich zu wenig unter die Lupe genommen worden ist. Es handelt sich um einen der damaligen Höhlenwarte, mit dem Vlachos mehrmals gesprochen und der auf ihn sehr nervös gewirkt hat. Dieser bestätigte ihm nach intensivem Verlangen schriftlich, dass er am Mittag nach seiner Wanderung, am 31. Juli 1982, noch eine Inspektion in der Höhe vornahm, obwohl er vorher das Gegenteil ausgesagt hatte. Weiter fand Vlachos heraus, dass der Mann am Tattag mit einem Pullover unterwegs war, den er am Abend nicht mehr trug. Er sagte zunächst, er habe ihn verloren. Doch die späteren Recherchen bei seiner Frau ergaben, dass er mit dem stark verschmutzten Pullover nach Hause zurückkehrte. Er wurde gleich dem Kehricht übergeben, wie die Frau dem St.Galler Privatdetektiv ebenfalls berichtete.
Mangelhafte Abklärungen
Vlachos bemängelt in einem Gespräch mit unserer Zeitung auch, dass dem Auffinden von zwei Filzstiften bei den Leichen zu wenig Beachtung geschenkt wurde. Diese waren mit der Firma beschriftet, in der der Sohn eines Arbeitskollegen des Genannten tätig war. Vlachos macht auch darauf aufmerksam, dass der genannte damalige Höhlenwart auch die Umgebung der Höhle wie kaum ein anderer gekannt haben muss. Er hätte die Polizei seiner Meinung nach besser über die Versteckmöglichkeiten orientieren können. Jedenfalls müsse vor 40 Jahren ein Ortskundiger am Werk gewesen sein.
Hypothese zur Leichendeponierung
In der Höhle befindet sich ein kleiner See. Von diesem aus führt ein Höhlenweg hinaus zum Abhang in die Nähe einer der Leichen-Fundstellen. Dieser See und Kanal, die für Besuchende nicht gleich sichtbar sind, hätte nach Vlachos für die erste Deponierung der Leichen genutzt werden können. Für ihn hätte die Kriminalpolizei diesem Umstand verstärkt Rechnung tragen müssen.
Es wurde bekannt, dass noch in der Nacht nach der Tat in die Höhle eingebrochen wurde. Beim Kontrollgang des Höhlenwartes am Tattag waren die Schlösser noch vorhanden, die am nächsten Morgen nicht mehr auffindbar waren. Natürlich könnte die Entfernung der Schlösser auch bloss ein Ablenkungsmanöver gewesen sein.
Auf falscher Fährte
Für Vlachos misslang die Aufklärung des Falles, weil Untersuchungsbehörden und Polizei lange auf falscher Fährte waren und wertvolle Zeit verloren ging. Der Chauffeur, der der Tat verdächtigt wurde, war wegen verschiedener Vergewaltigungen verurteilt worden. Der zweite Verdächtigte, der Kaufmann, soll nach Abschluss einer Versicherung einen Reitunfall vorgetäuscht haben, um hohe Versicherungsgelder zu kassieren, wie die Polizei glaubte. Wenn er sich beobachtet fühlte, soll er sich als körperlich und geistig angeschlagen gegeben haben. Es gilt nach Vlachos auch zu berücksichtigen, dass beide ursprünglich Verdächtigten aus der Region nicht als Einzeltäter wirken konnten, denn es handelte sich nicht um kräftige Personen, die gleich zwei Mädchen hätten umbringen und in unwegsamen Gelände, eines unter einer schweren Steinplatte, verstecken können.
Drei Bücher zum Doppelmord
Kürzlich wurde der Kristallhöhlenmord in einem Buch von Profiler Axel Petermann unter dem Titel «Im Auftrag der Toten» neu aufgearbeitet. Der Tatortanalytiker erklärt darin, dass vieles für einen Sexualmord und eine Zufallstat spricht. Peter Beutler hat unter dem Titel «Kristallhöhle» die Tat zu einem Kriminalroman verarbeitet. Ihm hat Thomas Benz, Kopf der Interessengemeinschaft Kristallhöhlenmord, umfangreiches Recherchenmaterial zur Verfügung gestellt. Allerdings wurde Benz bei seiner Arbeit auch mit vielen ungerechtfertigten Verdächtigungen konfrontiert.
Am 1. Oktober 2019 veröffentlichte der «Blick» eine Recherche von Benz, wonach ein Zeuge, ein damals 17-jähriger Lehrling, zu Protokoll gegeben hat, dass er am Tattag einen grauen Mercedes mit Pferdeanhänger Richtung Höhle habe fahren sehen. Auch der frühere SonntagsBlick-Redaktor Walter Hauser widmete dem Doppelmord ein Buch unter dem Titel «Hoffen auf Aufklärung» und wies auf weitere Indizien hin.
Asservate vernichtet
Beanstandet wurde auch schon, dass sogenannte Asservate (sichergestellte Gegenstände) nicht mehr auffindbar sind. Diese werden jeweils auf Verfügung der Staatsanwaltschaft nach rechtskräftigem Abschluss einer Untersuchung vernichtet, so auch in diesem Fall. Nach der Auffassung Beutlers hätten die Asservate immerhin Platz im Kriminalmuseum finden können.
Nicht zuletzt hat diese unfassbare Mordtat den Rheintaler SVP-Nationalrat Mike Egger veranlasst, sich dafür politisch einzusetzen, dass Mord strafrechtlich nicht mehr nach 30 Jahren verjährt. Nach der jetzigen Gesetzeslage kann es in diesem Fall nicht mehr zu einer neuen Untersuchung und nie mehr zu einem Urteil kommen. Die Standesinitiative ist im St.Galler Kantonsrat zustande gekommen und der Bundesrat ist von den eidgenössischen Räten beauftragt, einen Gesetzestext vorzulegen.
Von Franz Welte