Mehrere Polizeistationen müssen temporär schliessen
Die Kantonspolizei St.Gallen sieht sich gezwungen, gewisse Polizeistationen seit Montag, 18. Juli, temporär zu schliessen. Als Grund dafür werden personalintensive Einsätze an Veranstaltungen und gestiegene Aggressivität im zwischenmenschlichen Bereich genannt. Aber auch vermehrte Kündigungen machen der Kantonspolizei zu schaffen
Region Urs Schweizer, Chef der Polizeistation in Goldach, musste am Montag seine Arbeitstasche packen, die Eingangstüre neben dem Werkhof abschliessen und seinen Arbeitsort gemeinsam mit einem Kollegen per sofort nach Rorschach verlegen. Und dies voraussichtlich bis zum 13. Oktober «Nur noch ein Kollege bleibt hier, um das Telefon zu bedienen», informiert der Postenchef.
Polizeiposten Goldach ist zuständig für elf Gemeinden
Der Polizeiposten in Goldach ist auch für die Gemeinden Mörschwil, Tübach, Untereggen, Steinach, Eggersriet, Grub, Häggenschwil, Muolen, Berg und Wittenbach zuständig. Für die Einwohnerinnen und Einwohner der Gemeinden im Zuständigkeitsgebiet dieser Stationen steht ab sofort die Polizeistation Rorschach zur Verfügung. Dies bedeutet, dass Tatbestände neu dort gemeldet und je nachdem zur Anzeige gebracht werden müssten.
Mehr Veranstaltungen und Festanlässe
Neben Goldach werden auch die Polizeistationen Bad Ragaz und Walenstadt bis zum selben Datum geschlossen und von den Mitarbeitenden bei der Polizeistation Mels bzw. Flums vertreten. Gleich verfahren wird bei der Polizeistation Oberriet, die durch die Polizeistation Altstätten vertreten wird. Als Gründe für die Schliessung von Polizeiposten gibt die Kantonspolizei viele Veranstaltungen, davon mehrere internationale die Schliessung von Polizeiposten gibt die Kantonspolizei viele Veranstaltungen, davon mehrere internationale Konferenzen (Weltwirtschaftsforum in Davos, Ukrainekonferenz in Lugano, Internationaler Währungsfonds in Bad Ragaz) an. Diese mussten zum Teil alleine und zum Teil gemeinsam mit anderen Korps begleitet werden. Während dieser Einsätze habe bereits eine Ferien- und Ruhetagssperre über das ganze Korps verfügt werden müssen. Weiter habe die Kantonspolizei St.Gallen für diverse Festanlässe im ganzen Kanton polizeiliche Einsatzkräfte stellen müssen. Alle diese Ereignisse fanden in den Abendund Nachtstunden und vor allem an Wochenenden statt. Gemäss Hanspeter Krüsi, Mediensprecher der Kantonspolizei St. Gallen, haben die Veranstaltungen zugenommen, was auf einen gewissen Nachholbedarf nach Corona zurückzuführen ist. «Die Überzeitsaldi und die damit verbundenen Belastungen der Mitarbeitenden haben stark zugenommen. Die Überzeiten in Kombination mit den aufgelaufenen Feriensaldi können kaum mehr abgebaut werden», so Hanspeter Krüsi. Zudem müsse die persönliche Einsatzfähigkeit der Mitarbeitenden erhalten bleiben. Dies könne nur durch eine Konzentration der Kräfte, eine Verlagerung in die mobile Patrouillentätigkeit und daher auch mit der unumgänglichen vorübergehenden Schliessung von Polizeistationen erreicht werden.
Aggressivität im zwischenmenschlichen Bereich nimmt zu
Nebst den oben erwähnten Einsätzen verzeichnet die Kantonspolizei St.Gallen eine Zunahme von zeitintensiven Einsätzen im zwischenmenschlichen Bereich, namentlich bei privaten und öffentlichen Festen und Veranstaltungen sowie bei Nachbarschafts- oder Beziehungsstreitigkeiten. Diese hätten zum einen zahlenmässig leicht zugenommen und zum anderen seien die Fälle häufig aggressiver und komplexer geworden. «Wenn wir nachts einen Anruf bekommen, dass eine Frau von ihrem Partner mit dem Messer bedroht wird, müssen wir mit zwei bis drei Patrouillen anrücken. Ein Team muss sich um die vielleicht verletzte Frau und eventuell um eine Unterbringung für sie kümmern. Ein anderes Team muss den gewalttätigen, oft alkoholisierten Mann unter Kontrolle beziehungsweise in Gewahrsam bringen», schildert Hanspeter Krüsi einen möglichen Einsatz im zwischenmenschlichen Bereich. Und je nachdem seien dann auch noch Kinder da, für die ebenfalls gesorgt werden müsse. «Wenn so etwas am Wochenende, oder in der Nacht passiert, ist kein Paartherapeut erreichbar und oft bleibt für die Betroffenen keine andere Möglichkeit, als sich an die Polizei zu wenden», sagt der Kommunikationsverantwortliche. Auch hätten die sozialen Medien einen Einfluss auf die Einsätze der Polizei. «Wenn jemand in einer Whats- App-Gruppe schreibt, dass er genug vom Leben habe, ist das häufig Anlass, dass die Polizei aufgeboten wird», so Hanspeter Krüsi.
Konzentration polizeilicher Leistungen
Begleitend zu den temporären Schliessungen von Polizeistationen, sieht sich die Kantonspolizei St.Gallen gezwungen, die personellen Mittel zur Erbringung der Leistungen zu konzentrieren. Notfalleinsätze würden stets höchste Priorität haben und seien mit Sicherheit garantiert. Nicht zeitkritische Anliegen, wie beispielsweise Anzeigeerstattungen im tiefen Vermögensbereich oder Ruhestörungen, würden mit tieferer Priorität behandelt werden müssen. Als Alternative wird den Einwohnerinnen und Einwohnern empfohlen, die digitalen Möglichkeiten von suisseepolice zur Anzeigeerstattung zu nutzen. Dieser digitale Schalter steht rund um die Uhr zur Verfügung. Darüber können einfache Diebstähle und Sachbeschädigungen angezeigt werden oder Gesuche für Waffenerwerbscheine und bei Kontrollschilderverlusten gestellt werden.
Mehr Kündigungen und Personalmangel
Angesprochen auf die personellen Ressourcen und ob die Kantonspolizei etwa auch mit Fachkräftemangel zu kämpfen habe, informiert Hanspeter Krüsi, dass es nach Corona mehr Kündigungen gegeben hat, als in der Zeit davor. Gründe hierfür seien zum einen die Dienstschichten an den Abenden und am Wochenende, die von vielen als belastend empfunden werden und zu denen man einfach nicht mehr bereit sei. Zum anderen wurde bei der Polizei kürzlich ein neues Lohnsystem eingeführt, das nicht überall auf Freude stiess – vor allem bei jüngeren Polizisten und Polizistinnen. «Hier ist nun der Kanton am Zug – er muss dafür sorgen, dass er als Arbeitgeber ist», meint dazu Hanspeter Krüsi.
Von Astrid Nakhostin