Trachtengruppe Rorschacherberg
feiert Jubiläum mit Fahnenweihe und Unterhaltung
Prof. Dr. Mario Andreotti, ehem. Gymnasiallehrer und heute Dozent für Neuere deutsche Literatur, ist ein Kenner der schweizerischen Bildungslandschaft. Im Jahr 2019 veröffentlichte er dazu das Buch «Eine Kultur schafft sich ab. Beiträge zu Bildung und Sprache». (Bildquelle: z.V.g.)
GASTKOMMENTAR
Französische Revolution, Entstehung des modernen Bundesstaates, Erster und Zweiter Weltkrieg: Immer mehr Schülerinnen und Schüler wissen darüber – nichts. Das gilt selbst für die Zeit des Kalten Krieges, dessen Krisen mehr und mehr im Nebel des Vergessens in eine diffuse Vergangenheit verschwinden. Es droht weitverbreitete Geschichtsvergessenheit.
Daran ist unser Bildungssystem nicht unschuldig, kommt doch das Fach Geschichte, wenn es denn überhaupt noch unterrichtet wird, an den meisten Schulen zu kurz. In einigen Kantonen wird gerade noch eine Wochenlektion für Geschichte gewährt. Der fatale Niedergang dieses Fachs dürfte vor allem vier Gründe haben: Zum einen ist die Vermittlung von Fakten im Unterricht, wie sie im Fach Geschichte nun einmal essenziell ist, bedingt durch die neuen, auf Kompetenzen basierenden Lehrpläne, immer weniger gefragt. Und zum andern haben die zunehmende Ausrichtung unserer Bildungspolitik auf die MINT-Fächer, auf Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, und die Schaffung neuer Fächer, wie die Frühfremdsprachen und «Medien und Informatik», das Fach Geschichte an den Rand gedrängt. Und nicht zuletzt ist es der Lehrplan 21, in dem Geschichte als eigenständiges Fach verschwunden ist und durch das schwammige Sammelfach «Räume, Zeiten, Gesellschaften» ersetzt wurde, das alles Mögliche an Realien umfasst. Schliesslich wird Geschichte in vielen Schulen nicht mehr chronologisch, sondern in Längsschnitten zu Themen, wie etwa «Armut und Reichtum», «Kolonialismus» oder «Krisenherde», unterrichtet. Die Vorstellung vom zeitlichen Nacheinander weicht damit einem Durcheinander, in dem es keine Epochen mehr gibt. Dringend benötigtes Überblicks- und Orientierungswissen geht so verloren.
Die Abwertung des Geschichtsunterrichts an unseren Schulen bleibt nicht ohne Folgen. Wie sollen junge Leute um den hohen Wert der Demokratie wissen, den es um jeden Preis zu erhalten gilt, wenn sie im Schulunterricht nie erfahren haben, mit welchen Mühen und Opfern die Entstehung der modernen westlichen Demokratien mit ihrer Sicherung der Freiheitsrechte verbunden war. Gerade heute, wo Staaten wie Russland und China eine neue, autokratische Weltordnung anstreben, in der Freiheitsrechte keinen Platz mehr haben, ist ein solches Wissen unumgänglich. Und wie lässt sich das Stimmrechtsalter 16, über das wir in der Schweiz bald abstimmen können, staatspolitisch rechtfertigen, wenn Jugendliche, vor allem solche ohne Mittelschulbildung, kaum wissen, auf welchen geschichtlichen Pfeilern unser Staatswesen ruht und wie es funktioniert.
Keine Frage: Geschichte, dessen staatspolitische Bedeutung in einer Demokratie erheblich ist, muss im Kanon der Schulfächer als eigenständiges Fach einen festen Platz einnehmen und von fachlich dazu ausgebildeten Lehrkräften unterrichtet werden. Es ist Aufgabe der Politik und nicht nur der Bildungsräte, dafür zu sorgen, dass das Fach Geschichte bessere Rahmenbedingungen, vor allem genügend Wochenlektionen und verbindliche Bildungsinhalte, erhält. Gerade im Hinblick auf die bevorstehenden Feiern zum 175-jährigen Bestehen unserer Bundesverfassung sei einmal mehr daran erinnert.
Prof. Dr. Mario Andreotti, ehem. Gymnasiallehrer und heute Dozent für Neuere deutsche Literatur, ist ein Kenner der schweizerischen Bildungslandschaft. Im Jahr 2019 veröffentlichte er dazu das Buch «Eine Kultur schafft sich ab. Beiträge zu Bildung und Sprache».
Projekt «Gymnasium der Zukunft»
Das derzeit grösste Projekt im Rahmen der Kantonsschulen des Kantons St.Gallen ist «Gymnasium der Zukunft». Es beschäftigt sich in drei Teilprojekten mit neuen Lehr- und Lernformen, den Rahmenbedingungen des gymnasialen Lernens und Lehrens sowie den Schnittstellen zur Oberstufe und zu den Hochschulen.
Die Bildungslandschaft veränderte sich in den vergangenen Jahren rasant. Die Lehrpläne und die Rahmenbedingungen der Gymnasien haben sich jedoch in den vergangenen 20 Jahren nur minimal gewandelt. «Gymnasium der Zukunft» ist ein pädagogisch und didaktisch motiviertes Projekt. Es strebt eine Gesamtschau des St.Galler Gymnasiums vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen an. Die Ziele des Projekts sind daher die Erarbeitung eines Gesamtkonzepts zum modernen Unterricht, die Anpassung und Aktualisierung der Stundentafel und die Überarbeitung und Anpassung der Lehrpläne.
Rahmenbedingungen für den Unterricht festlegen
Einer der konkreten Aufträge des Projektes ist es, die Ausgestaltung der künftigen Stundentafel festzulegen. Welche Fächer braucht es wann und welche Gefässe?
Dem Protokoll des Bildungsrates des Kantons St.Gallen der Sitzung Nr. 49 vom 22. März 2023 ist dazu folgendes zu entnehmen: «Der Entwurf für die neue Stundentafel sieht vor, die Lektionenzahl in mehreren Grundlagenfächern zu reduzieren, um einerseits die Schülerbelastung zu verringern und andererseits Platz für die Ausweitung des Wahlangebotes zu schaffen. Wenig überraschend sprechen sich die meisten Fachgruppen gegen einen Lektionenabbau im eigenen Fach aus.»
Fächerwünsche der Kantonsschülerinnen und -schüler
Im Ergebnisbericht der «Befragung von Kantonsschülerinnen und Kantonsschülern» der PHSG wurde unter anderem danach gefragt, inwiefern das Fächerangebot erweitert werden sollte. Die konkrete Frage lautete: «Gibt es Fächer, die Sie grundsätzlich gerne gewählt hätten, die aber nicht zur Wahl standen? Welche?» Es wurde bewusst nicht näher spezifiziert, ob Grundlagen-, Schwerpunkt-, Ergänzungs- oder Freifächer angesprochen werden.
Die ersten drei Plätze belegten «Weitere Sprachen», «Sport» und «Psychologie/Pädagogik/Philosophie». Als Viertes folgte «Geschichte/Geografie». Womöglich ein Hinweis der Kantonsschülerinnen und -schüler darauf, dass Sport und Geschichte/Geografie, die in der Stundentafel als Grundlagenfächer integriert sind, als Schwerpunktfächer gewünscht wären und Weitere Sprachen wie auch Psychologie/Pädagogik/Philosophie als Wahlfächer integriert werden sollten.
pd/ce
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